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Zustandsgleichungen basierend auf hybriden Datensätzen

Die effiziente und energetisch optimale Gestaltung thermodynamischer Prozesse erfordert eine genaue Kenntnis der thermodynamischen Eigenschaften der eingesetzten Fluide. Aus diesem Grund besteht ein Bedarf an genauen Zustandsgleichungen. Datenbanken allein können den steigenden Anforderungen der Verfahrenstechnik nicht gerecht werden. Die Abbildung der gesamten thermodynamischen Eigenschaften eines bestimmten Fluids ist allein auf der Basis von Laborexperimenten wegen des damit verbundenen finanziellen Aufwands, der zeitlichen Investitionen und der potenziell extremen Messbedingungen (z.B. Toxizität, Entflammbarkeit, Explosionsgefahr oder Korrosivität) oft nicht möglich. Für viele Fluide, die für Industrie und Wissenschaft interessant sind, stehen daher nur wenige experimentelle Datensätze zur Verfügung. Molekulare Modellierung und Simulation haben sich zu einem Punkt der Akzeptanz in den angewandten Wissenschaften entwickelt und stellen eine potenzielle Lösung dar, um den Bedarf an thermodynamischen Daten zu decken. Die Molekularsimulation liefert makroskopische Eigenschaften (z.B. Druck, Temperatur, Dichte, Schallgeschwindigkeit, etc.) ausschließlich aus mikroskopischen Informationen (z.B. Bindungslängen oder -winkel, Punktladungen, Dipole, etc.). Dementsprechend sind ihre Vorhersagefähigkeiten im Prinzip nur durch die Qualität des molekularen Wechselwirkungsmodells begrenzt, das die untersuchte Substanz repräsentiert. Damit kann die molekulare Simulation dazu verwendet werden, Lücken in experimentellen Datenbanken zu füllen.

Hyride Moleküle
Abbildung 1: Vereinfachte Molekülmodelle für Hexamethyldisiloxan (links), Ethylenoxid (Mitte) und 1,2-Dichlorethan (rechts)

Diese hybriden Datensätze (experimentelle und simulierte thermodynamischen Eigenschaftsdaten in Kombination) bilden die Grundlage dieses Projekts und werden für die Entwicklung der Fundamentalgleichungen verwendet. Auf diese Weise werden nicht nur Lücken in der experimentellen Datenbank gefüllt, sondern es kann auch das Extrapolationsverhalten verbessert werden. Diese Strategie wurde bereits erfolgreich auf mehrere Reinstoffe angewendet, z.B. Ethylenoxid [1], Dichlorethan [2] und Siloxane [3,4]. Alle diese Fluide werden nun im Fluidbereich bis zur doppelten kritischen Temperatur einschließlich Dampf-Flüssigkeits-Phasengleichgewicht beschrieben. Auf der Grundlage von Untersuchungen unter extremen Temperatur-, Druck- und Dichtebedingungen erweist sich das Extrapolationsverhalten als korrekt.

Das Problem der Verfügbarkeit von Stoffdaten verschärft sich noch im Fall von Gemischeigenschaften. Bei Gemischen ist die Zusammensetzung als dritte unabhängige Variable zu betrachten, während reine Fluidzustände nur durch zwei unabhängige Eigenschaften (z.B. Temperatur und Druck) definiert sind. Die N+2-dimensionalen Oberflächen von Mischungen, die N Komponenten enthalten, machen die Messung der gesamten Oberfläche extrem zeitaufwendig. Selbst der Ansatz, nur binäre Mischungen zu messen und zu modellieren, ist nicht durchführbar. Die Vorhersage thermophysikalischer Eigenschaften mit Hilfe der Molekularsimulation könnte daher auch an dieser Stelle eine Antwort auf dieses Problem sein.

In diesem Projekt wird eine Klasse von empirischen Zustandsgleichungen unter Verwendung von Simulationsdaten entwickelt. Die Simulationen werden für die Darstellung verschiedener mikroskopischer Effekte wie Bindungslängen oder -winkel, Punktladungen, Dipole usw. verwendet. Das resultierende Modell kombiniert die verschiedenen Einflüsse in einer Weise, dass thermodynamische Eigenschaften von realen Stoffen vorhergesagt werden können, wenn die Molekularstruktur bekannt ist.

Dies ist ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Fachgebiet Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik der Technischen Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Jadran Vrabec.


Literatur

[1] Thol, M.; Rutkai, G.; Köster, A.; Kortmann, M.; Span, R.; Vrabec, J. (2015), Chemical Engineering Science 121: 87–99.

[2] Thol, M.; Rutkai, G.; Köster, A.; Miroshnichenko, S.; Wagner, W.; Vrabec, J.; Span, R. (2016), Molecular Physics, 115: 1166–1185.

[3] Thol, M.; Dubberke, F. H.; Rutkai, G.; Windmann, T.; Köster, A.; Span, R.; Vrabec, J. (2016), Fluid Phase Equilibria 418: 133–151.

[4] Thol, M.; Rutkai, G.; Köster, A.; Dubberke, F. H.; Windmann, T.; Span, R.; Vrabec, J. (2016), Journal of Chemical Engineering Data 61: 2580–2595.