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Berechnung komplexer Phasengleichgewichte mit hochgenauen Zustandsgleichungen

In der Energie- und Verfahrenstechnik spielt die Berechnung von Zustandsgrößen für Fluide eine wichtige Rolle. Seit der steten Zunahme der Rechnerkapazitäten haben sich hochgenaue Fundamentalgleichungen explizit in der Helmholtz-Energie als Standard überall dort durchgesetzt, wo Zustandsgrößen in einer sehr hohen Genauigkeit benötigt werden. Auch die Berechnung von Gemischen verschiedenster Stoffe ist ein großer und wichtiger Aufgabenbereich der Thermodynamik. Der Lehrstuhl für Thermodynamik hat sich in den vergangenen Jahren sowohl mit hochgenauen Reinstoffgleichungen als auch mit Gemischgleichungen (GERG-2008 [1], international anerkannter Standard für Erdgase und Erdgaskomponenten) befasst.

Bei der Berechnung von Gemischen treten häufig Problematiken auf, in denen Zweiphasengleichgewichte von Gas und Flüssigkeit berechnet werden müssen. In der GERG-2008 [1] ist ein Algorithmus zur Berechnung von Phasengleichgewichten implementiert, der die Berechnung von Gas-Flüssig-Gleichgewichten stabil und mit sehr guten Ergebnissen ermöglicht. Im Rahmen der geplanten Abscheidung und Speicherung von CO2 kann es jedoch aufgrund des Pipelinetransports von mit anderen Stoffen verunreinigtem CO2 zu komplexeren Phasengleichgewichten kommen, wie zum Beispiel Flüssig-Flüssig-, Feststoff-Flüssig- oder Feststoff-Gas-Gleichgewichten. Auch Algorithmen zur Berechnung von Dreiphasengleichgewichten werden benötigt.

Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung von Berechnungsalgorithmen komplexer Phasengleichgewichte, einschließlich Phasengleichgewichten mit festen Phasen. Zu diesem Zweck wird eine Fundamentalgleichung für Trockeneis entwickelt. Zudem kann für das System CO2 / Wasser neben den festen Phasen von Wasser und CO2 ebenso eine Hydratphase auftreten.

Bei Speicherstätten für die CO2-reichen Gemische handelt es sich oft um saline Aquifere. Die thermodynamischen Eigenschaften der Salzlaaken in den Aquiferen unterscheiden sich stark von denen des reinen Wassers. Um eine sichere und wirtschaftliche Speicherung von CO2 in den salinen Aquiferen zu ermöglichen, müssen die bestehenden Stoffdatenmodelle erweitert werden und den Einfluss der Salze berücksichtigen. Salze haben einen starken Einfluss auf die Menge der gelösten Gase in der Flüssigphase und deren Dichte, wodurch Modelle für eine genaue Beschreibung der Wechselwirkung von Verbrennungsgasen mit salzhaltigem Wasser erforderlich sind. Berechnungen mit reinem Wasser würden zu Überschätzungen der möglichen Menge an speicherbarem CO2 sowie den aus der Abscheidung stammenden Verunreinigungen führen.

Pgg Dichte Dev
Abbildung 1: Dichteabweichungen mit einem Gleichungsmodell basierend auf Pitzer's Modell [4] für NaCl-Salzlaaken.

Um konsistente Berechnungen innerhalb der gesamten CCS-Prozesskette mit den bisher entwickelten Gleichungen der EOS-CG-2016 [2] und EOS-CG-2019 [3] sowie für Feststoffe einschließlich der Speicherung in salinen Aquiferen zu gewährleisten, wird ein Modell für wasserhaltige Salze (Salzlaaken bzw. Sole) formuliert in der Gibbs-Energie und ein Modell für CO2-reiche Fluide, explizit in der Helmholtz-Energie, kombiniert.

Die Salzlaake wird durch die IAWPS-Gleichung für Meerwasser [5] dargestellt, die den internationalen Standard für die Eigenschaften von Meerwasser darstellt und über einen weiten Bereich von Salzgehalten gültig ist. Sie ist in Form der Gibbs-Energie mit den unabhängigen Variablen Temperatur, Druck und absolutem Salzgehalt formuliert. Die CO2-reichen Fluide werden durch das EOS-CG-2019 [3] Modell dargestellt, welches das derzeit genaueste Modell für die Beschreibung von Verbrennungsgasen ist. Diese Gleichungen sind explizit in der Helmholtz-Energie mit den unabhängigen Variablen Temperatur, Dichte und Zusammensetzung formuliert.

Um flexiblere Druck- und Temperaturbereiche, sowie höhere Salzgehalte mit dem Modell für Salzlaaken beschreiben zu können, werden Parameter in einem Modell basierend auf Pitzer’s Gleichungen [4] angepasst. Dieses Modell wird ebenfalls mit den hochgenauen Zustandsgleichungen kombiniert, sodass es für die Modellierung von Sequestrierungsprozessen in salinen Aquiferen verwendet werden kann.


Literatur

[1] Kunz, O.; Wagner, W., J. Chem. Eng. Data, 2012, 57:3032

[2] J. Gernert, R. Span, J. Chem. Thermodyn. 93, 274-293, 2016

[3] S. Herrig, New Helmholtz-Energy Equations of State for Pure Fluids and CCS-Relevant Mixtures, Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2018.

[4] Pitzer, K.S.; Activity Coefficients in Electrolyte Solutions, 2nd Edition; CRC Press, 1991

[5] International Association for the Properties of Water and Steam, Release on the IAPWS Formulation 2008 for the Thermodynamic Properties of Seawater, (2008).